Freitag, 12. März 2004, 19:30 - 22:00, Berlin

Buchpräsentation mit anschließender Diskussion

Tondar

Ralf Streck (Hrsg.) stellt sein neues Buch "Tondar - Geschichte und Widerstand politischer Gefangener" (erschienen im Pahl-Rugenstein Verlag Bonn) vor.

Anschließend findet eine Diskussion mit der kurdischstämmigen PDS-Abgeordneten Evrim Baba (u.a.) statt.

Inhalt: "Tondar"

Lange hat es gedauert, aber jetzt ist das Buch endlich im Handel und wird auf diversen Veranstaltung vorgestellt. (Veranstaltungsorte unten)

In seinem Roman « Tondar – Geschichte und Widerstand politischer Gefangener » schreibt Ralf Streck von politischer Entwicklung, Repression und Gefängnisaufenthalten politischer Gefangener im Baskenland, der Türkei, in Kurdistan und im Iran. Das iranische Wort «Tondar» bedeutet «Donner» und steht für den Widerstand und die Unruhen, von denen der Autor in seinem Buch erzählt.

Schwerpunkt des Buchs, und auch seiner Vorstellung auf der Veranstaltung, sind die Entwicklungen in Euskal Herria - dem Baskenland, sowie die Erfahrungen die Streck vor Ort gesammelt hat. Das Baskenland ist geteilt durch vier Provinzen in Spanien und drei in Frankreich, doch vereint durch eine eigene Kultur und die älteste Sprache Europas, welche die Basken seit Jahrhunderten am Leben erhalten. Die Hoffnung auf eine Lösung für den Konflikt, die der Tod des Diktators Franco 1975 mit sich bringt geht schon bald wieder verloren. Die Spirale der Repression und der Gewalt dreht sich unvermindert weiter.

Viele legale Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung, die für ein freies, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten, werden von Spanien unter dem Vorwand verboten, sie gehörten der Untergrundorganisation ETA an. Beweise gibt es dafür nicht, weshalb wie beim Verbot der Partei „Batasuna“ im März zuvor extra ein neues Parteiengesetz und ein Sondergericht geschaffen werden müssen. Als deren angebliche Nachfolger wurden vor den Wahlen im Mai mehr als 200 Wählerlisten annulliert und wodurch bis zu 20 Prozent der Basken die Repräsentanz in den Institutionen geraubt wird. Selbst die moderaten baskischen Parteien werden nun aus Madrid angegriffen, denn auch sie stellen inzwischen die begrenzte Autonomie in Frage.

Verboten wurden auch der Rat von weit über 1000 Bürgermeistern und Gemeinderäten, Organisationen von Jugendlichen, Gruppen zur Unterstützung von Gefangenen etc. Getroffen hat es in nur fünf Jahren außerdem zwei Zeitungen, ein Radio und eine Zeitschrift. Dass die im Februar verhafteten Journalisten der einzigen baskischsprachigen Tageszeitung „Euskaldunon Egunkaria“ nach der fünftägigen Kontaktsperre in den Händen der Guardia Civil Folter angezeigt haben, markiert eine neue Qualität.

Heute sitzen etwa 700 Basken aus politischen Gründen hinter Gittern. Das sind wesentlich mehr als in der Franco-Diktatur und sagt viel über die aktuelle Situation aus. Sie sind entgegen des geltenden Strafrechts über ganz Spanien und Frankreich verteilt, um sie voneinander und von ihren Familien zu isolieren, was eine Doppelbestrafung bedeutet. Am Wochenende legen die Familien oft 2000 Kilometer für kurze Besuche zurück, 13 Angehörige haben auf den Straßen ihr Leben gelassen, viele wurden bei Unfällen verletzt.

Auch die EU beteiligt sich aktiv an der Politik Madrids. Ohne Prüfung werden baskische Organisationen auf die EU-Liste „terroristischer Organisationen“ gesetzt. Dabei arbeiten sie, wie Batasuna, weiter legal im französischen Teil des Landes und die Partei hat weiter einen Abgeordneten im Europaparlament. Auch die Auslieferungen an Spanien nehmen zu, obwohl den Betroffenen dort Folter droht, wie die Kommissionen für Menschenrechte der UNO, der EU und Amnesty International jedes Jahr anprangern.

Darunter befanden sich auch Deutsche: Die Berlinerin Gaby Kanze wurde von der Schweiz an Spanien überstellt, obwohl das Ermittlungsverfahren, wegen Unterstützung der ETA, in Deutschland mangels Beweisen eingestellt worden war. Sie wartet seit einem Jahr auf ihren Prozess. Frankreich lieferte die Frankfurterin Petra Elser aus, die nach zwei Jahren im Gefängnis frei gesprochen wurde. Derzeit sitzt in München der Baske Paolo Elkoro. Auch seine Auslieferung wurde genehmigt, obwohl belastende Aussagen auch bei ihm nur unter Folter gemacht worden sind und danach widerrufen wurden.

Seit dem Tod des Diktators ist es Spanien immer besser gelungen, seine Methoden der Unterdrückung und die Angriffe auf die baskische Sprache mit dem Mantel der Terrorbekämpfung zu verdecken. Die massiven Proteste gegen eine Politik aus Madrid, die Versuche zu seiner Beilegung von baskischer Seite und die Ziele der Unabhängigkeitsbewegung fallen aus dem internationalen Diskurs weitgehend heraus. Es wird ein verzerrtes Bild gezeichnet, das mit der Realität nur wenig zu tun hat.

Wo?

Sprachenatelier Berlin
Frankfurter Allee 40
10247 Berlin